„Fahrermangel gefährdet die Verkehrswende”

Hessens Busbranche: Hürden für Einstieg in den Beruf müssen sinken

Gießen / Hanau / Michelstadt / Marburg. Hessens Busbranche leidet unter einem gravierenden Fahrermangel. Wie der Landesverband Hessischer Busunternehmen (LHO – Sitz: Gießen) bei seiner Mitgliederversammlung am Freitag (18.) in Hanau mitteilte, fehlen in Hessen derzeit mindestens 800 Busfahrerinnen und Busfahrer. Fast 80 Prozent der Betriebe haben nicht mehr genügend Fahrerinnen und Fahrer, um über die Strecken im Linien- und Schulbusverkehr hinaus auch die Kundennachfrage bedienen und Wachstumsimpulse nutzen zu können: „Der Bustourismus zieht wieder spürbar an – viele Reisen sind ausgebucht. Für zusätzliche Reiseangebote fehlt vielen Betrieben aber leider Fahrpersonal. Die meisten Unternehmer sind froh, wenn es gelingt, die Aufträge im Linienverkehr zuverlässig auf den Weg bringen zu können“, erklärt der (LHO-)Verbandsvorsitzende Karl Reinhard Wissmüller (Michelstadt). Das Problem spitze sich zu: „Wenn wir nicht mehr Menschen motivieren können, im Bundesland Hessen Busse zu steuern, wird das die Verkehrswende gefährden – oder zumindest bremsen.“

„Ohne zusätzliches Personal müssen Fahrpläne ausgedünnt statt attraktiver werden“ 

Wissmüller verweist auf die Situation in Teilen von Baden-Württemberg und Bayern, wo bereits Fahrpläne in Nebenverkehrszeiten ausgedünnt werden mussten und Schulbusverträge gekündigt wurden, weil Fahrpersonal fehlt. Auch in Hessen ist nach Einschätzung des LHO aktuell keine Besserung in Sicht: Mit Blick auf die demographische Entwicklung sei eher das Gegenteil zu befürchten: Der Verbandsvorsitzende erklärt: „Zu wenig junge Beschäftigte kommen nach, was nicht zuletzt an der teuren Führerscheinausbildung und Grundqualifikation liegt. In Deutschland führen die vielen Pflichtstunden und die zusätzliche Berufskraftfahrer-Qualifikation im europäischen Vergleich zu einer besonders langen und teuren Ausbildung − bis zu 244 Pflichtstunden und 10.000 Euro Kosten.“ Der Busunternehmerverband fordert: „Wir brauchen eine Reduzierung der Pflichtfahrstunden und die Integration der beiden Ausbildungsbestandteile. Selbstverständlich müssen für das Fahrpersonal hohe Qualitätsanforderungen eingehalten werden, doch die finanzielle Hürde für den Einstieg in den Beruf muss sinken.“ Zudem müssten Führerscheine und Qualifikationen von Nicht-EU-Bürgern schneller anerkannt werden, sagt Udo Diehl (Wetter / Marburg), frisch gewählter Stellvertreter des Verbandsvorsitzenden. Er verweist auf Busfahrerinnen aus der Ukraine – seit Sommer seien dort ausgestellte Führerscheine generell anerkannt. Doch auch vier Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung gebe es nach wie vor keine Informationen darüber, wie die Berufskraftfahrer-Qualifikation anerkannt werde: „Ukrainische Busfahrerinnen und Busfahrer können hier also mit einem leeren Bus fahren, dürfen aber keine Fahrgäste befördern. So bekommen wir die Probleme beim Fahrpersonal nicht in den Griff.“

Wissmüller: Gefahren für Versorgungssicherheit – trotz Image-Kampagnen 

Trotz kräftiger Lohnerhöhungen und verstärkter Nachwuchs-Werbung steuert auch die Busbranche auf einen Fachkräftemangel zu – obwohl Busunternehmen auch mit Blick auf die Verkehrswende hin zu mehr ÖPNV zukunftssichere Arbeitsplätze bieten können. Daher hat der LHO mit dem Bundesverband bdo eine Kampagne („Wir fahren. Und bewegen was …“) gestartet, die auch auf das Vertrauen hinweist, das Busfahrer in der Bevölkerung genießen: „Die Piloten der Straße liegen einer Umfrage zufolge noch vor Polizisten und Landwirten in der Spitzengruppe der Berufe, denen die Deutschen vertrauen. Mit dem Bus bringst du deine Fahrgäste sicher ans Ziel.“  Wie beim sich zuspitzenden Mangel an qualifizierten LKW-Fahrern in der Logistikbranche warnt auch die Busbranche vor Gefahren für die Versorgungssicherheit

Udo Diehl aus Wetter bei Marburg, wurde bei der Mitgliederversammlung des Landesverbandes Hessischer Busunternehmen (LHO – Sitz: Gießen) am Freitag (18.) in Hanau als Stellvertreter des Verbandsvorsitzenden, Karl Reinhard Wissmüller (Michelstadt) bestätigt.